Interkulturelles Lernen am Gymnasium Wendelstein

In diesem Herbst gibt es am Gymnasium Wendelstein einen Zertifikatskurs „Interkulturelle Kompetenz“. Unter der Leitung der interkulturellen Trainerin Tania Krüsmann arbeiten 16 Schülerinnen und Schüler kulturübergreifend an einem fairen Umgang auf Augenhöhe mit Menschen anderer kultureller Hintergründe.

Am 21. November fand diese Arbeit einen ersten Höhepunkt, als viele Kursteilnehmer auf Gäste aus Frankreich trafen. Dieses Pilotprojekt bildete den Abschluss des 2. Frankreichaustausches am Gymnasium Wendelstein mit der Partnerschule in Stenay (Lothringen). Den Auftakt der Veranstaltung stellte das gegenseitige Kennenlernen in beiden Sprachen dar. Dabei half ein zwischen den Schülern hin- und her- geworfenes Wollknäuel. Das wachsende Netz aus dem Wollfaden machte aufgefundene Gemeinsamkeiten schnell sichtbar.

In der Gruppenarbeitsphase entwickelten sich zwischen den französischen und den deutschen Schülern Gespräche zu unterschiedlichen Gewohnheiten beider Länder, die den französischen Jugendlichen während ihres Aufenthalts in Deutschland aufgefallen waren. So bekamen die Austauschschüler die Gelegenheit, ihre Erfahrungen im Gastland aufzuarbeiten. Äußerst sonderbar empfand eine Austauschschülerin beisipelsweise, dass ihre Gastmutter ihre Tochter auf den Mund küsst. „In Frankreich sind die Kinder und Jugendlichen zu Hause schon viel selbständiger“ meint Tania Krüsmann. In den beiden Ländern gebe es unterschiedliche Bilder zur Mutterschaft. In Deutschland sind die Kinder nicht selten bis sie drei Jahre alt sind zu Hause. Es entsteht eine innige Beziehung zwischen Mutter und Kind, die sich auch durch körperliche Nähe bemerkbar macht.

Große Unterschiede stellten die Franzosen auch beim Verhältnis zwischen Lehrern und Lernenden fest. So seien die Lehrerinnen und Lehrer in Frankreich viel strenger. Während des Unterrichts dürfe nicht getrunken und gegessen werden und Zwischengespräche werden sehr schnell unterbunden. Die Schüler in Deutschland haben hingegen viel mehr Freizeit. Dadurch, dass die Schule mittags meistens zu Ende ist, und viele Mütter den Nachmittag zu Hause verbringen, gestaltet sich auch das Familienleben und die Essenszeiten anders.

Herbst 2014

Die französischen Schüler fanden es bereichernd, in ihren „Mischgruppen“ viel Neues über deutsche Traditionen und Bräuche erfahren zu haben, die sich von denen in Frankreich zum Teil deutlich unterscheiden. Einen dieser Unterschiede erlebten sie positiv in Form von Gruppenarbeit, die im französischen Unterrichtswesen noch nicht so etabliert ist wie an bayerischen Schulen. Auch die Art der Präsentation in Form von Spielen oder Filmen war für viele neu. Andere Schüler reflektierten stärker über ihre Aufgabe: „Warum suchen wir Unterschiede? Reicht es nicht, sich mit den Gemeinsamkeiten zufrieden zu geben? Das ist doch auch eine Form der Erziehung! Und lachen kann man immer, auch mit Menschen, die man nicht gut kennt.“

Auch Stereotype über Deutsche und Franzosen wurden angesprochen. Bei einer Übung, in der die Schülerinnen und Schüler mit typischen Aussagen über Deutsche konfrontriert wurden, war Ihnen jedoch sehr schnell bewusst, dass es sich dabei um Verallgemeinerungen handelt, die nur ein sehr unzureichendes Bild wiedergeben. „Wir können nur Tendenzen benennen", so die Trainerin „aber in jeder Kultur gibt es sehr unterschiedliche Menschen, so dass wir mit allgemeinen Aussagen über „die Deutschen" oder „die Franzosen" immer sehr vorsichtig umgehen müssen."

In der letzten Phase der Arbeit im Workshop arbeiteten die Jugendlichen in landesübergreifenden Gruppen an der Visualisierung der Ergebnisse ihrer gemeinsamen kulturellen Forschung. Neben illustren Plakaten entstanden auch ein kleiner Trickfilm und eine filmische Demonstration des unterschiedlichen Verhaltens beim Verfolgen eines Fußballspiels im Fernsehen: Ganz gegen das Klischee zeigen sich unsere vermeintlich heißblütigeren Nachbarn plötzlich in vornehmer Zurückhaltung, während den deutschen Fans beim kollektiven Torjubel vor lauter Euphorie fast der Gaul durchgeht.

Frau Krüsmann führt demnächst ihren Zertifikatskurs seinem Ende zu. Um die gewonnenen Erfahrungen und Methoden auch nachhaltiger an der Schule zu verankern, bildet eine Schulung der interessierten Lehrerschaft den diesjährigen Abschluss ihres Wirkens am Gymnasium Wendelstein. An einer Fortsetzung im nächsten Jahr sind wir sehr interessiert.

BLO