Archäologische Quellenkunde in Theorie und Praxis: Wendelsteiner „schwirren ab“ in die Steinzeit

Josef Geisberger, studierter Historiker und Experimentalarchäologe aus Regensburg, vermittelte den Junghistorikern der 6. Jahrgangsstufe in einem zweistündigen Workshop viele Einsichten in das „Grundhandwerkszeug“ der archäologischen Forschung und das Alltagsleben der Menschen in der Steinzeit. 

In einem auf die Vermittlung grundlegender Fakten abzielenden Theorieteil berichtete der Fachmann zunächst von seinen Erfahrungen aus dem Berufsleben eines Altertumsforschers und benannte eine „gesunde Portion Neugier“ als die allerwichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium der Archäologie. Gleichsam zum Beweis seiner Behauptung zeigte er den Unterstüflern Fotos von (seinen) Ausgrabungsarbeiten und ließ diese anhand von Bildern, die Gräber, Skelette und Grabbeigaben zeigten, die Welt für eine Weile durch die Brille eines Archäologen betrachten. 

Neben professioneller Neugier müssen Altertumsforscher während ihres Studiums zudem erlernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Dabei helfen ihnen heutzutage ein gutes Stück weit Bagger, die sogenannte Sondageschnitte zur ersten Abklärung von Schichtfolgen durchführen können; die Aufgabe Fundstellen Schicht für Schicht und per Hand, Pinsel und Spatel abzutragen, bleibt dem Archäologen aber nur in den allerseltensten Fällen erspart.

Josef Geisberger erklärte seinen interessierten Zuhörern den Unterschied zwischen einem Fund und einem Befund und erläuterte, wie Quellen entdeckt, historisch erfasst, eingeordnet, dokumentiert und aufbewahrt werden. Die 6.-Klässler, die noch ganz am Anfang ihrer geschichtlichen Ausbildung stehen, erfuhren darüber hinaus, welche weiteren Schritte notwendig sind, um einzelne Funde zu aussagekräftigen Zeugen der Vergangenheit zu machen. An die Altersbestimmung, die einen wichtigen Teil des archäologischen Gesamtprocederes darstellt, durften sie sich dann sogleich selbst heranwagen, indem sie alte Knochenüberreste vorgegebenen Untersuchungskategorien zuordnen und Tonscherben aus verschiedenen Epochen von der Jungsteinzeit bis zu den Römern miteinander vergleichen sollten. 

Andere, modernere Methoden der Archäologie kamen ebenfalls zur Sprache und es wurde klar, dass Archäologen im 21. Jahrhundert nicht nur durch Ausgrabungen und Bodenfunde etwas über die Steinzeit oder andere zeitlich zurückliegende Epochen erfahren können, sondern beispielweise auch durch luftbildarchäologische Aufnahmen. Auf diesen kann man die Umrisse früherer Siedlungen häufig ebenso erkennen wie den Standort von Feuerstellen oder Stützpfeilern für die Dachkonstruktionen von Häusern.

Bevor sich die Schülerinnen und Schüler selbst als experimentelle Archäologen betätigen durften, lernten sie noch die wichtigsten Baustoffe und Verbundmaterialien der Steinzeitmenschen kennen. Vor den Augen und mit Unterstützung fleißiger Wendelsteiner Helfer ließ Josef Geisberger ein aus Holz und Feuersteinsplittern gefertigtes Stein(zeit)messer entstehen. Als Klebstoff zur Verbindung der Einzelteile wurde aus Birkenrinden per Erhitzen gewonnenes Birkenpech verwendet, das sogleich seinen intensiven und unverkennbaren Duft verströmte.

Dem in der Theorie Vermittelten folgte schließlich noch eine umfangreiche Praxiseinheit, die die Herstellung sogenannter „Schwirrhölzer“ vorsah. Bei diesen handelt es sich um individuell gestaltete, flache Holzstücke, die an einer Schnur festgeknotet und ganz schnell durch die Luft gewirbelt werden. Dabei ergeben sich überraschend laute, surrende Geräusche, mit denen sich die Steinzeitmenschen früher selbst über größere Distanzen verständigen konnten. Als Musikinstrument oder zum Aufscheuchen von Tieren zu Jagdzwecken wurde dieses Steinzeitmedium aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls verwendet.

Sichtbar zufrieden und ausgerüstet mit ihren selbstgebauten „Steinzeit-Handys“ sowie entsprechend neuen Erkenntnissen zu den Themenfeldern Archäologie und Steinzeit schwirrten die jungen Altgeschichtler am Ende zweier aufschluss- und abwechslungsreicher Stunden wieder ab in den anschließenden Unterricht der Jetztzeit.

Mirjam Müller für die Fachschaft Geschichte