Starke Phalanx experimentierfreudiger Wendelsteiner

Quasi als „Speerspitze“ der experimentellen Archäologie besuchte Josef Geisberger vom Regensburger Geschichtsprojekt MONUMENTUM VIVIDUM das Gymnasium Wendelstein schon zum zweiten Mal in Folge.

Dass es sich trotz der nicht allzu weit entfernt liegenden Faschingszeit um keine gewöhnliche Verkleidung handelte, wurde den Schülerinnen und Schülern der sechsten Jahrgangsstufe relativ schnell klar, als ihnen ein griechischer Hoplit in voller Rüstung Zutritt zum Mehrzweckraum gewährte, in dem sie eine Doppelstunde lang ein Geschichtsunterricht der etwas anderen Art erwartete.

Josef Geisberger, der im Vorjahr bereits als römischer Legionär zu Gast am Gymnasium Wendelstein gewesen war, eröffnete den Junghistorikern zunächst einige Einblicke in die Tätigkeit eines experimentellen Archäologen und stellte ihnen diverse mitgebrachte Requisiten vor, die neben umfangreichen Feldstudien der Erforschung des Lebens in der Antike dienen.

Im Sinne der angestrebten Vertiefung zur Unterrichtseinheit Antikes Griechenland nahm er die Jugendlichen mit auf eine Zeitreise in die hellenistische Welt und vermittelte ihnen in einem anschaulichen Vortrag viele interessante Informationen über die griechische Kultur und die sowohl politisch als auch militärisch vorangetriebene griechische Kolonisation. 

In diesem Zusammenhang wurden dann auch die Lebensumstände, der Werdegang und die Kampfweise der griechischen Hopliten und makedonischen Phalangiten näher beleuchtet.

Die Hoplitenphalanx als Kampfform der schwer bewaffneten Fußsoldaten begründete laut Geisberger die damalige Überlegenheit griechischer Heere über die meisten Armeen herkömmlicher Art. Die Athener sicherten mit ihrer Hilfe über einen langen Zeitraum erfolgreich ein ganzes See-Imperium ab, die Spartaner errangen mit ihr die Hegemonie über Griechenland und mit Hopliten-Söldnern verteidigten auch die persischen Großkönige ihre Weltherrschaft. 

Die jungen Zuschauer erfuhren, dass die Hopliten für ihre Rüstung selbst aufkommen mussten, weshalb nur ein geringer Teil der Bevölkerung überhaupt in einer Phalanx kämpfen konnte. Finanziell weniger gut gestellte Griechen mussten sich als leichter Bewaffnete, als Bogenschützen oder auch als einer von mehreren Bediensteten verdingen, die ein Hoplit im Kampfeinsatz standardmäßig mit sich führte. Eine Ausnahme zu dieser Praxis stellten, wie so häufig, die Spartaner dar, bei denen die Herausbildung einer Kämpferelite besonders befördert wurde und deren vollwertige Bürger alle zu Hopliten wurden und ohne zusätzliche Hilfestellung in den Kampf zogen. 

Integraler Bestandteil der Kampfausrüstung eines Hopliten war der Schild (hoplon bzw. aspis), der aus Holz gefertigt wurde und nur in Ausnahmefällen von einer maximal 0,5 Millimeter dicken Metallschicht überzogen war. Auf der Innenseite befand sich ein Griff aus Eisen bzw. Bronze, durch den der linke Unterarm geschoben wurde. Dieser Schild war im Durchmesser etwa einen Meter groß und bot laut Geisberger zwei Kämpfern gleichzeitig Schutz. Diese Behauptung des Experimentalarchäologen durfte von bereitwilligen Test-Hopliten dann sogleich auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden, wobei die erste Gruppe experimentierfreudiger Wendelsteiner das nicht ganz unerhebliche Gewicht des hoplon zunächst erkennbar unterschätzte. 

Besonders ins Auge fielen den Schülern auch die bunten Motive und aufwändigen Bemalungen der Schilde, die Tiere, Pflanzen aber auch Fratzen und Dämonen zeigten und die zur Abschreckung der Gegner dienen sollten. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus den vormals individuellen Motiven für jede Polis eine einheitliche Schildkennzeichnung. Die Kampfeinheiten der Polis Ephesos hielten dem Gegner eine Biene entgegen, der Pegasus repräsentierte Korinth, die Eule Athen und die Thebaner führten – passend zum Geburtsort des Herakles – die Keule im Schild.

Neben dem hoplon zählten auch noch der charakteristische Speer und das Krummschwert (kopis) zur Standardbewaffnung. Letzteres führte der Hoplit nur als Notwaffe für den bei erfolgreichem Schlachtverlauf eigentlich gar nicht vorgesehenen Nahkampf mit sich.

Die nächste Herausforderung stellte im antiken Griechenland und in Wendelstein gleichermaßen das Anlegen der Polsterrüstung und der darüber getragenen Kampfrüstung dar, die Josef Geisberger ebenfalls nicht nur zu Schauzwecken mitgebracht hatte. Die Rüstung der Hopliten bestand aus Leinen und wurde aus 10 bis 15 Lagen verleimten Stoffs hergestellt, um dem Harnisch mehr Widerstandskraft zu verleihen. Der Leinenpanzer (lino thorax) wurde durch Schnüre nah am Körper zusammengehalten und an neuralgischen Stellen durch Metallschuppen verstärkt. Den im Vorderbereich der Rüstung deutlich erkennbaren Muskelpanzer beschrieb Geisberger auf Nachfrage eines Schülers nach dem „Hopliten-Sixpack“ als Teil der „psychologischen Kriegführung“, räumte jedoch gleichzeitig ein, dass körperliche Fitness eine der für einen Hopliten unabdingbaren Grundvoraussetzungen darstellte. Neben den Schilden, den Stoß- und Hiebwaffen und viel Muskelkraft verheißenden Rüstungen trugen zudem noch Helme mit Federbusch zur respekteinflößenden Gesamterscheinung der Kämpfer bei. Abgerundet wurde dieses Gesamtensemble durch lange Arm- und Beinschienen aus ca. einem Millimeter dickem Metall. All diese Ausrüstungsgegenstände durften nach entsprechenden Sicherheitshinweisen dann schülerseitig freilich auch ausprobiert und sprichwörtlich am eigenen Leib auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft werden.

Die Kampfformation der Hopliten war die berühmte Phalanx, was so viel wie „Walze" bedeutet. Zur Schlacht stellten sich die Hopliten dicht nebeneinander in einer Reihe auf, um sich tief gestaffelt mit ihren großen Schilden gegenseitig Schutz zu bieten und um möglichst viel Wucht und Druck aufbauen oder abwehren zu können. Ausschlaggebend für die Kampfweise der Hopliten war somit nicht mehr der Zweikampf einzelner Soldaten sondern der geschlossene Einsatz in der Formation. Im Praxiseinsatz stellten die Wendelsteiner schnell fest, dass diese Art des konzertierten Formationskampfs ein Höchstmaß an Koordination und Disziplin erfordert. Im antiken Griechenland wurde die schwierige Orientierung im Feld durch Hornbläserbegleitung gewährleistet, deren Signale der Phalanx jeweils als Angriffs-, Rückzugs- oder Richtungsänderungskommandos dienten. 

Gegen Ende seines Vortrages vollzog Josef Geisberger dann noch einen zeitlichen und räumlichen Sprung nach Makedonien zur Zeit des peloponnesischen Krieges. Dort hatte sich König Philipp II. im vierten vorchristlichen Jahrhundert im Rahmen einer umfangreichen Militärreform eine neue Strategie überlegt: Er befahl eine Verlängerung der Speere von zunächst zwei auf fünf, dann sechs und später sogar bis zu acht Meter. Sein Sohn, Alexander der Große, stattete seine Heere schließlich mit Speeren von bis zu 10 Metern Länge aus. Die Weiterentwicklung des Langspeers zog natürlich auch eine gewandelte Schildbewaffnung nach sich. Da der Kämpfer nun beide Hände zur Koordination seines Speeres benötigte, kam binnen kurzer Zeit der Umhängeschild in Mode. Zudem sorgten die beiden Makedonenkönige auch dafür, dass die Formation der Phalanx langfristig beweglicher wurde und im Schlachtengeschehen schneller und flexibler auf gefährliche Angriffe an den Flanken und in ihrem Rücken reagieren konnte.

Die Speerträgerphalanx stellte über viele Jahrhunderte das militärische Erfolgsmodell der griechischen Welt schlechthin dar und wurde erst durch das Auftreten der im Feld und insbesondere im unwegsamen Gelände noch einmal weitaus flexibleren römischen Legion abgelöst. 

Josef Geisberger nahm sich für die umfangreichen und vielseitigen Fragen seitens der Schülerinnen und Schüler bewährt viel Zeit und gestand den interessierten Wendelsteiner Hopliten und Phalangiten am Ende der Veranstaltung auch noch einige zusätzliche Experimentier-Runden mit den Rekonstruktionen zu. Dank seines sympathischen und schülernahen Auftretens sowie umfangreicher aktivierender und handlungsorientierter Elemente seines Vortrags bewies der Regensburger Experimentalarchäologe auch bei seinem zweiten Besuch am Gymnasium Wendelstein, wie viel Spaß das Eintauchen in andere Zeiten und Welten tatsächlich machen kann. 

 

Mirjam Müller für die Fachschaft Geschichte