100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie

– Faszination Gravitation: Von Raum & Zeit, über schwarze Löcher zum Urknall

Unter diesem so komplexen wie viel versprechenden Titel wurde dem interessierten Publikum am 25. November ? und damit genau 100 Jahre nach Vorstellung von Einsteins bahnbrechender Theorie ? ein physikalischer Wissenschaftsvortrag von ganz besonderer Aktualität und Güte geboten. Mit Prof. Dr. Martin Ammon von der Universität Jena, einem Experten für String- und Quantentheorie, konnte von Physiklehrer Wolfgang Kellner dafür ein hochkarätiger Referent gewonnen werden.

Auch außerhalb von Wissenschaftskreisen ist bekannt, dass ein Phänomen wie die Schwerkraft und die damit verbundene Frage, warum der Apfel vom Baum direkt zu Boden fällt, Menschen schon lange vor Isaac Newton fasziniert hat. Die entscheidenden und Newtons Gravitationsgesetze noch einmal deutlich relativierenden Antworten auf diese und andere spannende Fragen der Physik lieferte im November des Jahres 1915 Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. In dieser zeichnete er ein völlig neues Bild von der Gravitation und wirbelte die bis dato gültigen Vorstellungen zu den Kategorien Zeit und Raum noch einmal grundlegend durcheinander. 

Die in Einsteins Theorie niedergelegte Vorstellung vom Zusammenspiel von Masse und Energie zum Ergebnis eines gekrümmten Raums und einer gekrümmten Zeit, der sogenannten Raumzeit, setzte Ammon seinen Zuhörern zu Beginn des Vortrags auf genauso verständliche wie einprägsame Weise auseinander. Viele der Einsteinschen Teiltheorien klingen bei Erstbegegnung zunächst sogar recht einfach: Raum und Zeit sind nicht absolut, sondern hängen vom Betrachter ab – dabei erscheinen Raum und Zeit zuweilen gekrümmt bzw. gedehnt. In konkrete Beispiele verpackt entstehen daraus Spekulationsszenarien wie das folgende: Steht ein Fahrstuhl auf der Erde, spürt der Fahrgast die Erdanziehung und wird mit seinem Körpergewicht nach unten gedrückt. Doch was passiert, wenn der Fahrstuhl schwerelos im Weltraum schwebt und dann beschleunigt wird? Anhand von Feststellungen wie der, dass „bewegte Uhren langsamer gehen“, versuchte Prof. Ammon das Verständnis des Publikums für Einsteinsche Denktheoreme zunächst ganz generell zu sensibilisieren. Die durch Einstein ebenfalls zur Tatsache erhobene Behauptung, dass „bewegte Objekte schrumpfen“, wurde für die Autofahrer unter den anwesenden Zuhörern in einem nächsten Erklärungsschritt recht sinnfällig – wenn vermutlich auch nicht ganz ernst gemeint – mit Tipps zu gemäß dieser Theorie künftig anzustrebenden Einparkmanövern verbunden. ?Unter Anleitung des Wissenschaftlers, der seine ersten physikalischen Erfahrungen am Gymnasium Roth gesammelt hatte, durften sich die Zuhörer im Weiteren auf einen kurzweiligen Ausflug in neue Gedankenwelten zwischen Realität und Science-Fiction begeben, der unter anderem Stationen wie den Urknall und die in ihrer Existenz erst noch direkt nachzuweisenden schwarzen Löcher bereit hielt. 

Nur 5 Prozent der Energiedichte des Universums gelten als bislang bekannt. Über die genauere Zusammensetzung der übrigen 95 Prozent, die ganz lapidar als dunkle Materie gehandelt werden, existiert bislang nur wenig gesichertes Wissen. Den wissenschaftlichen Nachweis über genau solche Phänomene zu führen, beschreibt das Betätigungsfeld eines theoretischen Physikers laut Ammon schon ganz gut. „Experimentell noch von niemandem nachgewiesen! Theoretisch noch von keinem verstanden! Das klingt nach einem absolut viel versprechenden Aufgabengebiet!“ Mit derlei mit viel Augenzwinkern vorgetragenen Äußerungen verstand es Martin Ammon die Wendelsteiner Zuhörerschaft trotz aller Wissenschaftlichkeit schnell für sich einzunehmen und obendrein viel von der Begeisterung zu vermitteln, die einen theoretischen Physiker wohl immer wieder einmal bei seinem beruflichen Tun durchströmt. 

Wichtig war Ammon in seinem Vortrag auch der Verweis auf die radikale Änderung, die das Weltbild seit Bekanntwerden von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erfahren hat. Während die durch die Einsteinthese etablierte Einsicht, dass Menschen, die weiter oben in einem Haus wohnen, schneller altern, bislang kaum Auswirkungen auf den Immobilienmarkt gezeigt hat, ist eine ganze Reihe anderer, alltäglicher Nutzanwendungen nicht von der Hand zu weisen. Ohne Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie würden Atomuhren und Funkuhren erheblich viel ungenauer gehen und die von Einstein ermittelten Effekte erweisen sich auch als wahrer Exaktheitssegen bei der Programmierung von GPS-Geräten, wie sie in Autos und Smartphones verbaut werden.

Dank zahlreicher interessierter Fragen aus dem Publikum mündete der Vortrag gegen Ende in eine belebte Diskussion über noch weitere spannende Themenfelder wie beispielsweise Wurmlöcher und Hologrammtheorien.

Dass die Einsteinsche und andere physikalische Denkentwürfe nicht nur für Kenner der „Materie“ und Anhänger von „The Big Bang Theory“ ein durchaus lohnendes Thema darstellen, bewies nicht zuletzt eine ganze Schar wissbegieriger Besucher, die Prof. Ammon nach seinem Vortrag mit noch weiteren Fragen belagerte, für die ihnen der Referent ganz viel Raum und ungekrümmte Zeit einräumte.

Mirjam Müller