„Kunst am Bau“ am Gymnasium Wendelstein – zum Tod der Künstlerin Verena Reimann

Mit Betroffenheit mussten wir in dieser Woche vom Tod von Frau Verena Reimann erfahren. Auch wenn sie im Landkreis Roth vor allen in ihrem (neben Freiburg zweiten) Heimatort Georgensgmünd bekannt war und dort zahlreiche Werke hinterlassen hat, so hat sie doch in Wendelstein und an unserer Schule mit einem Werk ihre Spuren hinterlassen, das mit dem „Zirkel“ nur deutlich verkürzt beschrieben ist.


Im Frühjahr 2012 fand in Wendelstein in den Geschäftsräumen der Firma sill optics die Ausstellung der Einsendungen zum Kunstwettbewerb „Kunst am Bau“ am neuen Gymnasium Wendelstein statt. Für mich war es als im Februar 2012 neu eingesetzten Schulleiter eine spannende Möglichkeit, innerhalb der Jury an einem Gestaltungselement für die neue Schule mitzuwirken. Letztlich geriet die Entscheidung zu einer Konkurrenz zwischen einem sehr visionären Entwurf, angelehnt an Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, und einem machen Künstlern zu rational erscheinenden Entwurf mit der Bezeichnung „Kreis und Gerade“ mit einem überdimensionalen Zirkel als Blickfang. Nach einer emotionalen Entscheidung wurde vom Kreisrat des Landkreises Frau Verena Reimann mit der Umsetzung ihres Entwurfs beauftragt, ich meine, eine gute Entscheidung, die unserem Gymnasium einen Blickfang geschaffen hat und ein Gesamtkunstwerk, das viele weitere Facetten zu bieten hat.


„Kreis und Gerade“ nimmt den Ausgang am Kreuzungspunkt der Straße „In der Gibitzen“ mit dem Fußgängerdurchgang vom FV Wendelstein an der Kreissportanlage vorbei zur Schule. Leider muss man heute sagen „nahm den Ausgang“, denn die beiden Halblinsen aus weißem bzw. rotem Marmor wurden an diesem Ort so stark strapaziert, so dass ihr Fundament im vergangenen Jahr keinen Verbleib mehr zuließ. 2019 sind die beiden halben Marmorlinsen, die gegeneinander so angeordnet sind, dass eine fast in der Luft zu schweben scheint, an die gegenüberliegende Seite der Gerade umgezogen, die in sichtbarer Form am genannten Kreuzungspunkt ihren Ausgang nimmt. Sie befinden sich jetzt, und im Schulhof am rückwärtigen Ende unseres Gebäudes. Die genannte Gerade durchdringt das Schulgebäude und führt mitten durch den zentralen Versammlungsort, die Aula, durch den beliebten Innenhof und auch mitten durch den Werkraum im Kunstbereich der Schule. Sie wird immer nur angedeutet, als stückweise und punktweise Edelstahl-Intarsie im Boden und bleibt damit unfertig und unsicher in ihrem geradlinigen Verlauf. Und sie führt als Gerade gedanklich unendlich weit über das Schulgebäude hinaus, auf der einen Seite in Richtung der Ortsmitte von Wendelstein und auf der anderen Seite hinein in die Natur des Reichswaldes.

Die Gerade schneidet die durch den Zirkel begonnene Kreislinie auf dem Vorplatz der Schule und sie findet im Innenhof eine merkwürdige Unterbrechungsmöglichkeit. Der schwere Drehstein im Innenhof enthält in geeigneter Stellung ein kleines Stück der Gerade, er erlaubt durch Drehen aber auch, die Richtung zu wechseln und hinaus zu weisen auf den Schulhof und zum zweiten Steinkunstwerk, den beiden aus Marmor gefertigten Halbringen. Die Halbringe laden ein zum Beklettern der Schnittflächen und zum Liegen im inneren Halbrund. Kaum ein Schüler, kaum eine Schülerin wird darin nicht schon einmal gelegen sein und auch der Schulleiter muss gestehen, diesen Platz gerne zu besuchen, wenn Ruhe im Schulbetrieb eingekehrt ist. Man kann dort die polierte Oberfläche der schönen Steine fühlen und im Sommer den Temperaturunterschied zwischen den beiden unterschiedlichen Steinen. Das Gesamtkunstwerk „Kreis und Gerade“ enthält für mich viele Assoziationen zum schulischen Leben, die jede*r für sich interpretieren möge. Und es lädt zum Schauen, zum Verweilen und zum Benutzen ein. Gerne beobachte ich Schüler*innen, die auf den Drehstein liegen und die Schule rundum an sich vorbei ziehen lassen.


Zum Schluss noch einmal zum Zirkel, dem natürlich auffälligsten Teil des Kunstwerkes. Er mag als Werkzeug der Mathematik die Rationalität verströmen, die Schule ja auch mit ausmacht, er eignet sich aber auch für phantasievolle Zeichnungen und als Objekt ist er sehr schön geworden und ergänzt die Fassade der Schule auf dem Vorplatz als „Markenzeichen“ dieses Gebäudes. Was mich besonders mit Frau Reimann verbunden hat ist die Tatsache, dass sie ihr Kunstwerk auch mit Schüler*innen weitergestaltet hat und dass sie Schüler*innen gerne das Kunstwerk ihrer Schule gezeigt und erklärt hat. Diese Verbundenheit von Frau Reimann mit einem Ort, der zum Objekt ihrer Kunst geworden ist, wird uns nun fehlen.       

Dr. Johannes Novotny
Schulleiter

Foto: Elisabeth Ehm, Q12
Foto: Elisabeth Ehm, Q12
Foto: Dr. Johannes Novotný
Foto: Dr. Johannes Novotný
Foto: Dr. Johannes Novotný
Foto: Elisabeth Ehm, Q12
Foto: Werner Bloß
Foto: Werner Bloß