Moderne Astronomie bei sehr hohen Energien

Im Rahmen des 7. Wendelsteiner Forums der Katholischen Erwachsenenbildung Roth Schwabach am Gymnasium Wendelstein führte Dr. Dorit Glawion in einem gut verständlichen und unterhaltsamen Vortrag in die Astrophysik mit Neutrinos und Gammastrahlung bei sehr hohen Energien ein.

 

Die Referentin vom Erlanger Zentrum für Astroteilchenphysik (ECAP) der FAU Erlangen begann historisch mit dem späteren Nobelpreisträger Viktor Hess, der bei seinen wissenschaftlich motivierten Ballonfahrten die kosmische Strahlung entdeckte. Dabei handelt es sich, wie man heute weiß, vor allem um Protonen mit sehr hohen Energien, die einer Temperatur von tausenden Billionen Grad entsprechen. Je höher die Energie der Teilchen, desto weiter liegen die Quellen von uns entfernt – innerhalb, aber auch außerhalb unserer Milchstraße! Als Quellen kommen gewaltige kosmische Ereignisse in Frage wie die Überreste von Supernovae, Pulsare, Mikroquasare oder aktive Galaxienkerne.

 

Gammastrahlung ist doch gefährlich!

 

Vergleichbar den Radiowellen, dem Licht oder auch der Röntgenstrahlung handelt es sich dagegen bei Gammastrahlung um elektromagnetische Strahlung mit hohen und höchsten Energien. Zum Glück für die Menschen ist aber die Atmosphäre dafür im Gegensatz zu Licht oder Radiowellen kaum durchlässig. Jedoch hilft die Atmosphäre gleichzeitig die Gammastrahlung auf der Erde nachzuweisen: Die hochenergetischen Gammaquanten erzeugen Teilchenschauer, die sich kegelförmig verbreiternd zu Boden rasen. Dort lassen sie sich durch speziell konstruierte Teleskope wie dem MAGIC-Teleskop auf La Palma nachweisen – wenn die Messsignale nicht durch die Taschenlampen von Touristen gestört werden, wie Frau Glawion aus eigener leidvoller Erfahrung berichtete.?

 

Neutrinos, die Geisterteilchen der Physiker

 

Während die kosmische Strahlung in Form von Protonen leicht im All von anderen Ladungen abgelenkt wird und auch die Gammastrahlung z. B. von einer gewaltigen Masse umgelenkt werden kann, bewegen sich die ungeladenen Neutrinos ohne den Einfluss anderer Objekte durchs All, da sie nur extrem selten wechselwirken. Damit eröffnet diese Art von „Geisterteilchen“ aber eine neue astronomische Perspektive, wenn man nach der Richtung und damit dem Objekt sucht, von dem das Signal kommt. Gleichzeitig gestaltet sich aber ein Nachweis schwierig, so dass am Südpol nahe der Amundsen-Scott-Station in mehreren Kubikkilometern Eis ein Detektornetzwerk aus mehr als 5500 Sensoren versenkt wurde – daher auch der Name IceCube Neutrino Observatory. Angesichts des Südpols durften natürlich im Vortrag weder die Polarlichter noch die Anekdoten zum Telefonieren dorthin, zu den Temperaturen dort oder auch zu Seehunden fehlen.

 

Wo waren Sie am 22.09.2017?

 

Am 22.09.2017 wurde schließlich ein Neutrino-Signal einer Himmelsregion zugeordnet, in der man gleichzeitig eine erhebliche Zunahme der Gammastrahlung beobachten konnte. Damit war es zum ersten Mal gelungen, zwei Messergebnisse der unterschiedlichen Detektorsysteme für Gammastrahlung und Neutrinos zusammenzuführen. Als Ursprung des Signals wird ein Aktiver Galaxienkern vermutet, bei dem Protonen und Elektronen in Form eines Plasmajets aus dem Zentrum der Galaxie senkrecht zur Ebene der Galaxie herausgeschleudert werden.

 

Und wie geht es weiter?

 

Noch vor zehn Jahren war es ein Erfolg der Astronomie, von kosmischen Ereignissen nicht nur die Radiowellen oder das sichtbare Licht zu beobachten, sondern das gesamte Spektrum elektromagnetischer Wellen wie Mikrowellen, Infrarot, UV oder Röntgenstrahlung zu messen, um die Ereignisse detaillierter verstehen zu können. Seit 2017 lassen sich diese Beobachtungen nun auch im Hochenergiebereich mit Neutrinomessungen verknüpfen. Im Übrigen gelang es ebenfalls 2017, einem Gravitationswellenereignis Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum zuzuordnen! Sofern steht die Astronomie vor der Herausforderung, diese Methoden so nutzbar zu machen, dass sich aus den Messungen auf die Quellen und ihre physikalischen Prozesse schließen lässt. Mit diesem Ausblick stachelte Frau Glawion zum Abschluss den Forschergeist der zahlreich erschienenen Schülerinnen und Schüler, ihrer Eltern und aller weiteren Astronomie Begeisterten an.

 

Wolfgang Kellner

 

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