Filmmusik ganz anders –

Das W-Seminar Musik bei „Panzerkreuzer Potemkin“ in der Tafelhalle Nürnberg

Filmmusik unterstützt die Gefühle der Zuschauer während des gezeigten Films und unterstreicht die gezeigten Inhalte. Aber was passiert, wenn der gezeigte Film ein Stummfilm ist und im Original aufgrund der technischen Voraussetzungen noch keine Filmmusik eingearbeitet werden kann? Diese Erfahrung durfte das W-Seminar Musik am 27.10.2017 in der Tafelhalle Nürnberg machen.

Anlässlich der „stummFILMMUSIKtage“ wurde unter dem Motto „Kontraste – Klassik in der Tafelhalle“ der russische Stummfilmklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ aufgeführt. Dieser Film zeigt, in freier Anlehnung die Ereignisse des russischen Revolutionsjahres 1905 und wurde 1925 uraufgeführt. Mit den Kenntnissen aus dem Seminar wussten wir, dass die Filmmusik zu Stummfilmen einerseits eingesetzt wurde, um die Geräusche des Filmprojektors zu kaschieren und zum anderen, um den Menschen die Angst vor dem unbekannten, dunklen Raum zu nehmen, von dem sie nicht wussten, was sie erwarten wird.

Vor der Aufführung betrete ich die Tafelhalle mit gemischten Gefühlen: einerseits freue ich mich auf eine Vorstellung der etwas anderen Art, andererseits weiß ich nicht recht, was ich zu erwarten habe. In meinem Kopf überlege ich mir, worum es in dem Film geht und versuche, mir vorzustellen, wie das Orchester die Bildvertonung umsetzen wird - ich bin fest davon überzeugt, dass die gesehenen Bilder exakt vertont werden: z. B. wenn eine Welle gezeigt wird, ich den Ton von Meeresrauschen höre.

Zu meiner Überraschung kann ich beim Betreten des Saales feststellen, dass das Orchester nur aus acht Personen besteht und außerdem zwei Computer aufgebaut sind. Nach und nach füllt sich der Raum, bis er fast ganz voll besetzt ist. Die Musiker betreten unter Applaus den Raum und schließlich folgt der Dirigent Gene Pritsker, der gleichzeitig auch der Komponist der Musik ist. Die Saalbeleuchtung verdunkelt sich und das Orchester fängt gleichzeitig mit dem Beginn des Films an zu spielen. Anfangs, aber auch zwischen den Szenen, sind kyrillische Schriftzeichen mit deutschen Obertiteln zu sehen, die zum einen die Geschichte erläutern und zum anderen das Gesagte sinngemäß wiedergeben.

Anfangs habe ich sozusagen Orientierungsschwierigkeiten, denn ich weiß nicht, ob ich mich auf das Orchester oder den Film konzentrieren soll, jedoch mit der Zeit kann ich das Orchester ausblenden und den Film verfolgen. Mittlerweile wird auch deutlich, weshalb die zwei Computer in der Nähe des Orchesters stehen. Pritsker dirigiert nicht nur, er erzeugt auch mithilfe der PCs elektrische Sounds die sich mit dem Orchester verbinden und perfekt harmonieren. Er lässt sozusagen Traditionelles mit dem Modernen verschmelzen. Außerdem lebt er die Musik vollkommen: denn wie ich aus dem Augenwinkel erkennen kann, bewegt er sich lebendig, fast schon ausgeflippt, zu seinen Dirigierfiguren. Der ganze Raum ist von Klang erfüllt und es herrscht eine besondere Atmosphäre, die unter anderem auch von der perfekt zur Szene abgestimmten Musik beeinflusst wird. Selbst der Abspann wird vertont und nach Ende der Aufführung ist es im Raum das erste Mal totenstill.

Diese Stille ist unangenehm in den Ohren, aber man kann die gespannte und elektrisierte Stimmung des Publikums spüren. Der meiste Applaus gebührt jedoch Pritsker, der diese hervorragende Komposition geschrieben hat. Als der Applaus abgeebbt ist, strömen die Menschen aus dem Saal und ich treffe mich mit den anderen Schülern im Foyer: Wir alle können nur schwer in Worte fassen, wie dieses Stück auf uns gewirkt hat, jedoch sind wir uns einig, dass alle Erwartungen übertroffen und wir positiv überrascht worden sind.

Carolin Betz, Q11