„Testudo“! – Römische „Schildkröten“ beim Morgen-Appell in Wendelstein

„Salvete amici. Sum Iulius Iosephus. Sum legionaris in Castra Regina." Mit diesen Worten begrüßte der zu diesem Zeitpunkt bereits komplett als Legionär gewandete Regensburger Experimentalarchäologe Josef Geisberger die 6.-Klässler zu einer Geschichts-Doppelstunde der etwas anderen Art und hatte die Wendelsteiner mit seinem sympathischen und Interesse weckenden Auftreten schnell soweit, dass sie sich von ihm auf eine Zeitreise ins Römische Reich des 3. und 4. nachchristlichen Jahrhunderts mitnehmen ließen.

 

In einem kurzweiligen, mediengestützten Vortrag vermittelte er zunächst viel Wissenswertes über den Aufstieg und Niedergang des Imperium Romanum und insbesondere das Leben, die Ausbildung, die Ausrüstung und die Kampftechniken der römischen Legionäre und konnte sich dabei auf ein fundiertes Grundwissen und die rege Mitarbeit seiner jungen Zuhörerschaft stützen.

 

Gleich zu Beginn unterzog Iulius Iosephus einen freiwilligen Wendelsteiner einer probatio,  d.h. einer Art Musterungsgespräch, bei dem deutlich wurde, dass der Besitz des römischen Bürgerrechts, körperliche Gesundheit und Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer Karriere in der römischen Armee gehörten, die auch deshalb so beliebt war, weil sie den Soldaten regelmäßigen Sold und eine Art „Rente“ in Form eines Stückes Land garantierte.

 

Entgegen seiner sonstigen Legionärsgewohnheiten war der „Römer“ diesmal ausnahmsweise mit dem Auto angereist, da er eine ganze Reihe von zeitgenössischen Ausrüstungsgegenständen zeigen und den Schülern für diverse Experimente und Aktivitäten zur Verfügung stellen wollte. All diese Gegenstände hat Geisberger zusammen mit anderen experimentellen Archäologen nach antiken Quellen und Originalvorbildern rekonstruiert und auch bereits in Formationskämpfen und Märschen entlang historisch verbürgter Legionärsrouten getestet. 

 

Die Rekonstruktionen kamen vermehrt im zweiten, stark handlungsorientierten Teil der Veranstaltung zum Einsatz, als es für die „Germanen-Kinder“ daran ging, selbst einmal ins Gewand eines römischen Legionärs zu schlüpfen, an einem Exerziertraining für Rekruten der römischen Armee teilzunehmen und verschiedene Kampfformationen der Römer inklusive der berühmten „Schildkröte“ nachzustellen. 

 

Zunächst führte der Legionär aus Castra Regina den Schülerinnen und Schülern jedoch die einzelnen Bestandteile seiner Ausrüstung (z.B. mit Nägeln beschlagene Schuhe, Tunika, Spangenrüstung, Schienenpanzer, Kettenhemd, Helm mit Nackenschild) vor und erläuterte dann im Weiteren wie sich diese sinnvoll im Rahmen von Zweikämpfen und Kampfformationen zum Einsatz bringen ließen. Auf Erklärungen folgte immer wieder die aktive Einbindung der jugendlichen Zuschauer, für die sich – wie beim römischen Legionärsdienst – jeweils viel mehr Bewerber bereit erklärten als freie Plätze vorhanden waren. 

 

Auf besonderes Interesse stießen die mitgeführten Waffen des Legionärs, unter denen sich unter anderem scutum (Schild), gladius (Kurzschwert), spatha (Langschwert) und pilum (Speer) befanden. Auch diese durften nach entsprechenden Sicherheitshinweisen ausprobiert werden, auch wenn die geforderten Bewegungsabläufe einige in ein 15 Kilo schweres Kettenhemd gewandete „Rekruten“ dann doch vor ungeahnte Herausforderungen stellte.

  

Von der Formationsbildung und den experimentellen Teilen in Bann geschlagen, fiel es so manchem Helm- und scutum-Träger dann erkennbar schwer, sich schließlich doch wieder im 21. Jahrhundert einzufinden und die Enttäuschung über die Rückkehr ins Hier und Jetzt wurde nur dadurch etwas abgemildert, dass sich Iulius Iosephus auch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung noch umfangreich Zeit nahm, sich den interessierten Fragen vieler sichtlich begeisterter Wendelsteiner zu stellen, und obendrein auch noch die eine oder andere Extra-Übungseinheit mit den Rekonstruktionen erlaubte.

 

Mirjam Müller für die Fachschaft Geschichte